Exoskelette in der Bauwirtschaft und bei baunahen Arbeiten
Ob und in welcher Form Exoskelette in der Bauwirtschaft und in baunahen Bereichen eingesetzt werden sollten, hängt von der konkreten Tätigkeit und dem Arbeitsumfeld ab. Wichtig ist, vorher zu testen, ob ein Exoskelett zum Beschäftigten und zur Tätigkeit passt.
Exoskelette sind am Körper getragene technische Systeme, die mechanisch auf den Körper einwirken. Sie zielen darauf ab, die körperliche Belastung zu reduzieren. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Exoskeletten, die sich durch das Antriebssystem unterscheiden – aktive und passive.

- Aktives Exoskelett für Überkopfarbeiten
- Bildquelle: Festool GmbH

- Aktives Exoskelett für das Heben, Tragen und Ziehen von Lasten
- Bildquelle: Xella Deutschland GmbH

- Passives Exoskelett für Arbeiten oberhalb der Schulterhöhe
- Bildquelle: Hilti Deutschland AG

- Passives Exoskelett für wiederholtes und schweres Heben
- Bildquelle: hTrius GmbH




Bildhinweis: Diese Bilder sind keine Produktempfehlung. Eine Vielzahl von Herstellern bietet gleichwertige Produkte an, so dass eine Darstellung aller Produkte nicht möglich ist.
Passive Exoskelette
Bei den passiven Exoskeletten wird die für die Unterstützung notwendige Energie durch Federn oder elastische Bänder bereitgestellt. Diese speichern bei bestimmten Bewegungen Energie, zum Beispiel beim nach unten bücken und geben sie in der Gegenbewegung wieder an den Nutzer ab, zum Beispiel beim Aufrichten des Körpers. Außerdem kann auch die Vorspannung der Federelemente genutzt werden, um beispielsweise statische Haltearbeit der Arme bei Überkopfarbeit zu reduzieren.
Aktive Exoskelette
Aktive Exoskelette funktionieren mit elektrischen oder pneumatischen Antrieben und unterliegen einer komplexen, automatisierten Steuerung. Eine Sensorik ermittelt kontinuierlich den Unterstützungsbedarf, der dann dynamisch durch den aktiven, krafterzeugenden Antrieb bedient wird.
Unterstützte Körperregion
Darüber hinaus werden passive und aktive Exoskelette nach der Körperregion unterschieden, die unterstützt wird, zum Beispiel Rumpf, Schultern, Hände und Beine. Die Unterstützungskraft lässt sich individuell einstellen.
Wie können Exoskelette unterstützen?
Exoskelette unterstützen meist nur eine Körperregion und in der Regel nicht den gesamten Umfang einer Tätigkeit, sondern nur einen bestimmten Bewegungsradius bzw. bestimmte Winkelbereiche. Grundvoraussetzung für eine unterstützende Wirkung des Exoskelettes ist, dass die Tätigkeit des Beschäftigten zu den Bewegungs- und Unterstützungsbereichen des Exoskeletts passt. Grundsätzlich stabilisieren und verbessern starrgliedrige Exoskelette Körperhaltungen. Sie können außerdem durch das Aufnehmen und Umleiten von Kräften Überbeanspruchungen in stark belasteten Körperregionen reduzieren und die Ermüdung der Muskulatur verzögern.
Exoskelette bieten in der Regel Unterstützung bei ergonomisch ungünstigen Körperhaltungen wie zum Beispiel Überkopfarbeit (Arme), starker Vorbeugung (Rücken), Heben, Halten, Senken, Umsetzen von Lasten mit stark vorgebeugtem Oberkörper (Rücken), langes Stehen (Beine, Rücken).
Mögliche Einsatzgebiete für Exoskelette
- Überkopfarbeiten mit oder ohne Werkzeug, zum Beispiel:
- Montage von Gipskartonplatten (Befestigung von Schienen, Abkleben, Aufhängen, Verschrauben)
- Deckenschleifen mit Langhalsschleifern
- Installation von Rohrleitungen, Kanälen, Kabelrinnen
- Verputzarbeiten, z .B. maschinelles Auftragen von Gips
- Malerarbeiten
- Tätigkeiten, in denen statisch nach vorn gebeugt gearbeitet wird, zum Beispiel:
- bei Vormontagen (von tragenden Wärmedämmelementen)
- an Sortiertischen
- Heben und Absetzen von Lasten, zum Beispiel:
- Auskleiden von Elektrolichtbogenöfen mit feuerfesten Materialien
Exoskelette als Präventionsmaßnahme
Exoskelette sind personengebundene Maßnahmen und nachrangig zu technischen und organisatorischen Maßnahmen einzusetzen – d. h, wenn technische und organisatorische Maßnahmen ausgeschöpft wurden, ohne dass die Gefährdung in ausreichendem Maße vermindert werden konnte, kann der Einsatz eines Exoskelettes die bereits getroffenen Maßnahmen ggf. ergänzen.
Chancen …
Die starrgliedrigen Elemente eines Exoskelettes stabilisieren den Körper und fördern ergonomische Körperhaltungen. Beim Heben von Lasten kann kein Rundrücken mehr gemacht werden und meistens ist auch ein Verdrehen der Hüfte nicht mehr möglich. Vorliegende Studien weisen für einzelne ausgewählte Teil-Tätigkeiten darauf hin, dass die physische Ermüdung der Beschäftigten verzögert wird. Das heißt, dass die Beschäftigten über den Tag verteilt länger leistungsfähig sind und am nächsten Arbeitstag körperlich ausgeruhter starten können.
Durch das Umleiten von Kräften, zum Beispiel beim schulterunterstützenden Exoskelett von den Armen in den unteren Rücken, werden Belastungsspitzen der besonders stark beanspruchten Körperregion reduziert. Welche Auswirkungen das jedoch auf andere Körperregionen hat, wurde bisher noch nicht ausreichend untersucht. Hier bedarf es weiterer Studien, die den ganzen Körper betrachten.
Bei Nebentätigkeiten ist darauf zu achten, dass die Systeme nicht stören oder zusätzliche Belastungen verursachen zum Beispiel aufgrund ungeeigneter Bewegungsbereiche.
… und Risken
Da Exoskelette personengebunden sind, müssen sie perfekt dem Körper angepasst werden, damit keine Druckstellen hervorgerufen werden oder Scherkräfte auftreten.
Meistens tragen Exoskelette auf, so dass sie die menschlichen Körpermaße erweitern. Damit wird mehr Bewegungsraum beansprucht und der Körperschwerpunkt, die Bodenreaktionskräfte oder auch die Gangparameter verändern sich. Dies kann zu Fehleinschätzungen beim Durchqueren von zum Beispiel Türen oder Zwischenräumen führen und dadurch zu unfreiwilligen Kollisionen oder Hängenbleiben. Außerdem trägt man immer ein zusätzliches Gewicht mit sich herum.
Bei enganliegenden Systemen mit eingeschränkter Belüftung ist gerade bei hohen Temperaturen zusätzliche thermische Belastung zu beachten.
Die richtige Auswahl macht's
Die verschiedenen Arten von Exoskeletten bringen Vor- und Nachteile mit sich. Auch wenn Exoskelette prinzipiell nach gleichen Prinzipien arbeiten, können sie sich in ihrer Wirkung und Handhabung merklich unterscheiden.
Es ist daher ratsam, gemeinsam mit den Beschäftigten verschiedene Exoskelette auf einem Testparcours auszuprobieren und deren subjektive Auswahl zu berücksichtigen. Um sicherzustellen, dass das Exoskelett zum Beschäftigten und zur Tätigkeit passt, sollte es eine Testphase auf der Baustelle geben.
Durch eine sorgfältige Auswahl und eine Testphase kann gewährleistet werden, dass das Exoskelett nicht nur den ergonomischen Anforderungen entspricht, sondern auch von den Beschäftigten als hilfreich und angenehm empfunden wird.
Fazit
Exoskelette bieten Vorteile, aber sie sind nicht uneingeschränkt empfehlenswert. Damit sie eine wertvolle Unterstützung bieten, sollte ihre Einführung sorgfältig geplant und auf die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Tätigkeiten und der Beschäftigten abgestimmt werden.