Schwere Augenschädigung / Augenreizung

Definition:

Augenreizung ist das Auslösen von Veränderungen am Auge nach Applikation einer Prüfsubstanz auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach der Applikation vollständig reversibel sind. Schwere Augenschädigung wie beispielsweise Augenverätzung ist das Auslösen einer irreversiblen Gewebeschädigung im Auge oder einer massiven Verschlechterung des Sehvermögens nach Applikation einer Prüfsubstanz auf die Oberfläche des Auges, die innerhalb von 21 Tagen nach Applikation nicht vollständig reversibel sind.

Messverfahren:

Bevor die schwere Augenschädigung / Augenreizung im Tierversuch getestet wird, wird die Durchführung einer sequenziellen Prüfstrategie empfohlen, dazu zählen auch validierte in-vitro-Prüfungen.  Falls das Verätzungs-/Reizungspotenzial anhand einer gewichteten Analyse nicht ermittelt werden kann, die den Anforderungen der sequenziellen Prüfstrategie gerecht wird, soll ein in-vivo-Test in Betracht gefasst werden.

Tierversuch:

Die schwere Augenschädigung / Augenreizung kann im Tierversuch am Kaninchen bestimmt werden (Draize-Test).

Bei dieser Methode ist die Reizung/Verätzung des Auges der Endpunkt.  Die Prüfsubstanz wird den Versuchstieren in abgestuften Konzentrationen in ein Auge eingebracht, die Expositionszeit beträgt in der Regel mindestens 24 Stunden. Es werden Bindehaut-, Hornhaut- und Iris-Schädigungen sowie andere Schädigungen wie Pannus, Verfärbungen registriert. Anhand einer Augenreaktionen-Skala werden die Augenveränderungen mit Punkten (Scores, Grad) bewertet. Die Reproduzierbarkeit dieses Tests ist ungenügend.

In-vitro-Tests:

Es gibt zwei anerkannte in-vitro-Tests zur Prüfung auf augenverätzende und stark augenreizende Wirkung:der BCOP (bovine cornea opacity and permeability) Test und der ICE (isolated chicken eye) Test am Hühnerauge, dabei stammen die Augen aus Schlachthofmaterial.

Die in-vitro-Tests HET-CAM Test am bebrüteten Hühnerei und IRE (isolated rabbit eye) Test an Kaninchenaugen werden in der EU für behördliche Prüfungen anerkannt, allerdings wird nicht jeder dieser Tests bei jedem europäischen Staat als Prüfung zugelassen.

Sequenzielle Prüfstrategie:

Im Interesse wissenschaftlicher Verlässlichkeit und des Tierschutzes sollen in-vivo-Tests erst dann durchgeführt werden, wenn alle für das Augenverätzungs-/Reizungspotenzial des Stoffs zur Verfügung stehenden einschlägigen Daten im Rahmen einer kritischen Analyse ausgewertet worden sind. Zu diesen Daten gehören unter anderem Erkenntnisse aus bereits durchgeführten Untersuchungen am Menschen und/oder an Labortieren: Hinweise auf Verätzungen/Reizungen durch strukturell verwandte Substanzen bzw. Gemische aus diesen Substanzen; Daten, die eine starke Azidität oder Alkalinität der Substanz belegen, die Ergebnisse validierter und anerkannter in-vitro- und ex-vivo-Tests und die Bewertung der hautreizenden oder –verätzenden Wirkung der Substanz in vivo. Diese Analyse soll dazu führen, dass weniger in-vivo-Untersuchungen zum Augenverätzungs-/Reizungspotenzial von Stoffen durchgeführt werden, wenn bereits andere Studien zu diesen beiden Endpunkten ausreichende Belege geliefert haben.

Geeignete Prüfmethoden:

Das in-vivo-Messverfahren zur Bestimmung der schweren Augenschädigung / Augenreizung ist in der Prüfmethoden-Verordnung (EG) Nr.440/2008, Teil B, Methode B.5 beschrieben. Im Anhang des Kapitel B.5 ist die sequenzielle Prüfstrategie beschrieben.

Die in-vitro-Tests zur Prüfung auf augenverätzende und stark augenreizende Wirkung sind in der 2.ATP der Prüfmethoden-Verordnung VO(EU) Nr.1152/2010, Methoden B.47 und B.48 beschrieben. Für folgende in-vitro-Tests liegen folgende anerkannte validierte Methoden vor:
HET-CAM Test: ZEBET-Methode Nr.25
IRE Test: ZEBET-Methode Nr.105

Gemische werden in der Regel nach der konventionellen Methode eingestuft und gekennzeichnet.

Ausnahmen:

Substanzen, die sich in einer Prüfung auf Hautverätzung bereits eindeutig als ätzend erwiesen haben, gelten auch als schwer augenschädigend. Substanzen, die sich in einer Prüfung auf Hautreizung bereits eindeutig als reizend erwiesen haben, gelten auch als augenreizend.

Liegt ein extremer pH-Wert vor, dann kann auf weitere Prüfungen verzichtet werden. 

Angabe im Sicherheitsdatenblatt:

Bei der schweren Augenschädigung / Augenreizung wird beschrieben, welche Auswirkungen die Prüfsubstanz auf die Augen hat.

Aussage:

Der HET-CAM-Test ist für besonders stark reizende Stoffe. Wenn keine oder nur eine schwache Reaktion beobachtet wird, muss zur Bestätigung der in-vivo-Test durchgeführt werden.

Einstufung und Kennzeichnung:

Gemäß CLP-Verordnung können Stoffe und Gemische aufgrund der Augenschäden in die Gefahrenklasse „Schwere Augenschädigung / Augenreizung“ eingestuft werden. Stoffe und Gemische, die irreversible Augenschäden auslösen, werden in die Kategorie 1 eingestuft. Gekennzeichnet werden Stoffe und Gemische der Kategorie 1 mit dem Gefahrenpiktogramm „Ätzwirkung“ (GHS05) und dem Signalwort „Gefahr“,  dem H-Satz H 318 und den entsprechenden H- und P-Sätzen. Stoffe und Gemische, die reversible Augenschäden auslösen, werden in die Kategorie 2 eingestuft. Gekennzeichnet werden Stoffe und Gemische der Kategorie 1 mit dem Gefahrenpiktogramm „Ausrufezeichen“ (GHS07) und dem Signalwort „Achtung“, dem H 319 und den entsprechenden P-Sätzen.

Der extreme pH-Wert ist außerdem ein Einstufungskriterium in die Kategorie 1. Bei solchen Stoffen und Gemischen wird von relevanten Wirkungen am Auge ausgegangen. Wird das Gemisch unter Berücksichtigung der sauren/alkalischen Reserve trotz des extremen pH-Werts für nicht schwer augenschädigend gehalten, so ist dies durch weitere Prüfungen zu bestätigen, vorzugsweise durch eine geeignete validierte In-vitro-Prüfung. (Anhang I Teil 3 3.3.1.2 CLP-Verordnung)

Bei hautätzenden Stoffen wird auch von schweren Augenschäden ausgegangen, entsprechende Prüfungen auf schwere Augenschäden sind zu vermeiden. Bei hautreizenden Stoffen kann davon ausgegangen werden, dass sie auch eine Augenreizung hervorrufen. Eine Prüfung auf Augenreizung ist zu vermeiden. 

Gemäß Stoff- und Zubereitungsrichtlinie (seit 1.6.2015 außer Kraft gesetzt!): 

Stoffe und Zubereitungen werden gemäß Stoffrichtlinie 67/548/EWG als reizend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "Xi", der Gefahrenbezeichnung "reizend" und dem R-Satz R 41 eingestuft, wenn schwere Augenschäden vorliegen. Stoffe und Zubereitungen werden gemäß Stoffrichtlinie 67/548/EWG als reizend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "Xi", der Gefahrenbezeichnung "reizend" und dem R-Satz R 36 gekennzeichnet, wenn deutliche Augenschäden vorliegen.

Wird ein Stoff oder eine Zubereitung als ätzend eingestuft und mit R 34 oder R 35 gekennzeichnet, so wird die Gefahr schwerer Augenschäden als implizit angesehen und R 41 auf dem Kennzeichnungsschild nicht angegeben.

Änderungen: CLP-Verordnung gegenüber Stoff- bzw. Zubereitungs-Richtlinie:

  • Die Bezeichnungen haben sich geändert.
  • Die Einstufungskriterien für Gemische haben sich geändert.