Neue Gefahrstoffverordnung 2024

Zum 5. Dezember ist die novellierte Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten. Sie enthält wesentliche Änderungen, insbesondere für Tätigkeiten mit Asbest beim Bauen im Bestand. Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft informiert über die Neuerungen und Unterstützungsangebote für Unternehmen und Beschäftigte am Bau.

Abbildung verschiedener Kennzeichen für Gefahrstoffe.
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Seit 1993 sind Tätigkeiten mit Asbest in Deutschland grundsätzlich verboten. Die alte Gefahrstoffverordnung sah Ausnahmeregelungen lediglich für Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten vor. Nicht geregelt waren bislang Tätigkeiten mit asbesthaltigen Baustoffen, wie Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber, beim Bauen im Bestand. Hier schafft die am 5. Dezember 2024 in Kraft getretene Gefahrstoffverordnung nun mehr Klarheit.

Ampel-Modell für Risikobewertung

Mit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung wird rechtlich bindend das aus der Technischen Regel für Gefahrstoffe 910 (TRGS 910) bekannte risikobezogene Maßnahmenkonzept bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen eingeführt. Das Konzept definiert drei Risikobereiche: geringes Risiko (Asbest-Faserstaubbelastung < 10.000 Fasern/m³), mittleres Risiko (Asbest-Faserstaubbelastung < 100.000 Fasern/m³) und hohes Risiko (Asbest-Faserstaubbelastung > 100.000 Fasern/m³). Aufgrund der Farbgebung der Risikobereiche (grün, gelb, rot) wird das Maßnahmenkonzept auch „Ampel-Modell“ genannt.

Farbskala von grün bis rot, die das Ampelsystem der neuen Gefahrstoffverodnung symbolisiert.
  • Bildquelle: BG BAU

Mit dem Ampel-Modell existiert für die Betriebe jetzt ein praxistaugliches Instrument, um bei der Arbeit mit krebserzeugenden Gefahrstoffen die Schutzmaßnahmen risikobezogen festlegen zu können. Je höher die Belastung am Arbeitsplatz ist, desto anspruchsvoller müssen die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten sein. In der Praxis findet dieses Konzept bereits seit einigen Jahren über die TRGS 910 Anwendung.

Neue Gefahrstoffverordnung: Was Unternehmen wissen müssen

  • Mit der neuen Gefahrstoffverordnung werden Tätigkeiten zur „funktionalen Instandhaltung“ baulicher Anlagen im Bereich geringer und mittlerer Risiken legalisiert. Das bedeutet, Arbeiten wie z. B. das Fräsen eines Schlitzes in asbesthaltigem Putz zur Verlegung einer Elektroleitung, die bislang formal nicht zulässig waren, dürfen nun mit entsprechenden Schutzmaßnahmen durchgeführt werden.
     
  • Tätigkeiten mit hohen Risiken sind weiterhin mit strengen Anforderungen verbunden und können nur von Fachfirmen mit Zulassung sicher durchgeführt werden. Handwerksbetriebe werden solche Arbeiten faktisch nicht ausführen.
     
  • Die neue Gefahrstoffverordnung orientiert sich am Stichtag des Inkrafttretens des Asbestverbots: Demnach muss in allen Gebäuden, die vor dem 31.10.1993 errichtet wurden, mit Asbest in den Baustoffen bzw. der Bausubstanz gerechnet werden.
     
  • Es wird zusätzlich eine Informations- und Mitwirkungspflicht des Veranlassers von Bauarbeiten eingeführt. Dieser muss dem beauftragten Unternehmen künftig alle ihm vorliegenden Informationen, im Wesentlichen die Angabe zum Baujahr bzw. Baubeginn des Gebäudes, oder zur Schadstoffbelastung zur Verfügung stellen.
     
  • Das Baujahr ist vom Unternehmen wiederum in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen. Ist die Sachlage nicht klar, muss das Bauunternehmen in der Konsequenz eine Erkundung in den Gebäuden durchführen lassen, um das Vorhandensein von Asbest zu klären. Entstehende Kosten gelten als besondere Leistung.
Nahaufnahme eines gefährlichen Asbests, dessen Umgang in der neuen Gefahrstoffverordnung geregelt ist.
  • Bildquelle: ALEXEY - stock.adobe.com
  • Für Tätigkeiten mit asbesthaltigen Materialien bleiben bestimmte Qualifikationen und Maßnahmen der Unternehmen obligatorisch. Für alle Tätigkeiten mit Asbest ist wie bisher weiterhin die Sachkunde für die aufsichtführende Person erforderlich (17 Lehreinheiten für geringes und mittleres Risiko, 32 Lehreinheiten für hohes Risiko), die während der Tätigkeiten ständig vor Ort anwesend ist. Die Anforderung zur Sachkunde wird zudem auch für Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen Materialien eingeführt (zum Beispiel Gleis-, Straßen- und Tunnelbau, Steinbrüche). Da die Anforderung für diese Branche neu ist, gilt hierfür eine dreijährige Übergangsfrist.
     
  • Arbeiten mit Asbest dürfen nur von Beschäftigten ausgeübt werden, die über Grundkenntnisse zu Asbest (Fachkunde) verfügen. Diese Qualifikation der Beschäftigten kann durch einen Fortbildungskurs (10 Lehreinheiten), zum Beispiel bei der BG BAU, erworben werden. Da die Anforderung an die Qualifikation der Beschäftigten neu eingeführt wird, gilt hierfür eine dreijährige Übergangs­frist.
     
  • Verboten bleibt die feste Überdeckung, Überbauung oder Aufständerung an Asbestzementdächern (zum Beispiel durch die Installation von Photovoltaik­­anlagen). Neu hinzugekommen ist ein Überdeckungs­verbot für Asbestzement-Wand- und Deckenverkleidungen sowie asbest­­­haltige Bodenbeläge. Ver­boten bleiben in Zukunft auch Reinigungs- und Beschichtungsarbeiten an nicht voll­flächig beschichteten Asbestzementdächern und Außenwandverkleidungen aus Asbest­­­­zement.
     
  • Weiterhin obligatorisch ist und bleibt die formale unternehmensbezogene und objektbezogene Anzeige der Tätigkeiten mit Asbest bei der zuständigen Arbeitsschutzbehörde sowie die Übermittlung einer Kopie an den zuständigen Unfall­versicherungs­träger.

BG BAU hilft bei der Umsetzung

Um die Anforderungen der neuen Gefahrstoffverordnung sicher und rechtskonform umzusetzen, stellt die BG BAU ihren Mitgliedsunternehmen unter anderem folgende Angebote zur Verfügung:

  • Mit der Arbeitsschutzprämie „Schutzpaket für das Bauen im Bestand“ fördert die BG BAU mit bis zu 5.000 Euro die technische Grundausstattung, die für ein sicheres Arbeiten an asbesthaltigen Materialien erforderlich ist. Dazu gehören zum Beispiel Handmaschinen mit Absaugung, Bauentstauber, Luftreiniger oder Staubschutztüren sowie Schleusen.
     
  • Mit dem E-Learning-Modul „Grundkenntnisse Asbest“ können die Beschäftigten den theoretischen Teil der Grundkenntnisse im Lernportal der BG BAU erarbeiten.
     
  • Damit Verbände, Innungen und größere Unternehmen die Grundkenntnisse zu Asbest auch intern vermitteln können, bietet die BG BAU „Multiplikatoren-Schulungen“ in ihren Ausbildungsstätten an. 
     
  • Die bestehende Branchenlösung wird zeitnah überarbeitet und in einen Leitfaden überführt, der eine praxistaugliche Vorgehensweise für die Betriebe in Bezug auf Asbest beim Bauen im Bestand vorgibt.

Hier können Sie die neue Gefahrstoffverordnung im Original lesen: Neue Gefahrstoffverordnung 2024