Fahrsicherheitstraining für mobilitätseingeschränkte Unfallverletzte

Mobil? Aber klar!

So lautete das Motto des ersten Seminars und Fahrsicherheitstrainings für mobilitätseingeschränkte Unfallverletzte, das die BG BAU als Pilotprojekt gestartet hat.

Das Auto von Steffen Meininger rast mit 70 km/h über die nasse Fahrbahn, bevor er volle Pulle bremst. "Das war hammerhart", stöhnt Meininger. "Ich musste die ganze Kraft meiner Arme aufbringen." Gefahrbremsen bei unterschiedlichen Fahrbahnverhältnissen heißt diese Übung. Hier kommt es darauf an, dass die Fahrer ihre Angst vor einer Vollbremsung verlieren, damit das ABS-System voll wirksam wird. Gas geben, bremsen und lenken, kann Meininger nur mit seinen Armen, denn der gelernte Dachdecker ist seit seinem Arbeitsunfall im Jahr 2001 querschnittgelähmt.

Ebenso wie die sieben anderen durch Arbeits- oder Wegeunfälle schwerverletzten Teilnehmer, die auf dem Übungsgelände der BG-Schulungsstätte Linowsee e. V. in Rheinsberg ein Fahrsicherheitstraining absolvierten.

Fahrsicherheitstraining auf dem Übungsgelände der BG-Schulungsstätte Linowsee e. V. in Rheinsberg.
  • Bildquelle: Marc Darchinger - BG BAU

Wieder am Leben teilnehmen

"Weil das Auto für Menschen mit Behinderung die einzige Möglichkeit ist, mobil zu bleiben, wollen wir sie in die Lage versetzen, dass sie sich im Straßenverkehr bewegen können wie jeder andere Verkehrsteilnehmer", sagt Katja Hofmann, Reha-Managerin der BG BAU.

Katja Hofmann beim Fahrsicherheitstraining für mobilitätseingeschränkte Unfallverletzte.
  • Bildquelle: Marc Darchinger - BG BAU

"Damit fördert die BG BAU die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft." Das ganze Training hindurch begleiten Hofmann und ihr Kollege Thomas Kuhn die Teilnehmer, die sie seit ihren Unfällen persönlich kennen. Gemeinsam mit ihnen und den Ärzten hatten sie in der Vergangenheit individuelle medizinische Reha-Pläne erstellt und in Absprache mit den Betroffenen auf der Grundlage straßenverkehrstechnischer Gutachten entschieden, welche Sonderausstattung für die Autos im Rahmen der Kraftfahrzeughilfe der BG BAU jeweils die richtige ist.

Je nach dem Grad einer Behinderung kann der technische Umbau am Auto vom einfachen Knauf am Lenkrad bis zum vollelektronischen Cockpit reichen. "Eine wichtige Rolle spielten nach den Unfällen die Fahrstunden, die von der BG BAU finanziert wurden und durch die die Betroffenen eine psychische Schwelle sowie grundsätzliche Unsicherheiten mit der neuen Kfz-Ausrüstung überwunden haben", sagt Hofmann. Durch das Fahrsicherheitstraining, das die BG BAU in Zusammenarbeit mit dem Autoclub Europa e. V. (ACE) durchführte, gewannen die Teilnehmer mehr Sicherheit im Umgang mit ihren umgerüsteten Autos.

Gute Resonanz bei allen Teilnehmern

Die Rollstuhlfahrer wurden bei dem Training auch von erfahrenen Sportwissenschaftlern und Physiotherapeuten des ACE begleitet. "Das ist sinnvoll, denn es gibt einige Unterschiede zu Menschen ohne körperliche Behinderungen", sagt Mobilitätstrainer Gerd Piechetta, der seit seinem Motorradunfall vor zehn Jahren selbst im Rollstuhl sitzt: "Erst zwei bis drei Jahre nach dem Unfall fängt man wieder an, am Leben teilzunehmen. Zuerst hat man Blockaden, sich wieder in ein Fahrzeug zu setzen. Wichtig sind Gespräche mit Leuten in der gleichen Lage und die Beratung von Profis. Zudem ist es gerade nach einem Unfall wichtig, körperlich aktiv zu bleiben", sagt Sportwissenschaftler Peter Müller. Sport bringt Selbstvertrauen, man ist weniger krank und kommt wieder in die Gemeinschaft, nicht nur mit Behinderten.

"Die Übungen haben mich schlauer gemacht. Hier habe ich erst gesehen, dass ich seit Jahren im Auto eine schlechte Sitzhaltung hatte", sagt Maurer-Azubi Sylvio Gallasch.

Silvio Gallasch beim Fahrsicherheitstraining für mobilitätseingeschränkte Unfallverletzte
  • Bildquelle: Marc Darchinger - BG BAU